bis 01.06. | #2436ARTatBerlin | Galerie Barbara Thumm zeigt aktuell die Einzelausstellung Unweit von Dir der Künstlerin Anne-Mie van Kerckhoven.
.THE END OF AN INVESTIGATION / LET ME BEGIN / TO FULLY UNDERSTAND THE APPEAL OF SCIENTIFIC REALISM / IN WORKING MY WAY THROUGH […]. Schriftdetail aus dem Werk „Reflections Going Down with the Sun”, 2013.
Den Blick auf ein durch Anne-Mie van Kerckhoven (AMVK) gewähltes Textfragment in einem ihrer Werke zu werfen, ist ein zum Scheitern verurteilter Versuch, einem Verständnis für das grundsätzlich Unsubsummierbare ihrer künstlerischen Ausdrucksweisen nahe zu kommen. „In working my way through [the investigation]”, frei übersetzt, “indem ich es [die Recherche, Untersuchung, Erforschung] auf meine Art und Weise durchgearbeitet habe“, ist genau dieses Fragment einer Passage, die mein heutiges Interesse weckt. Das Werk AMVKs wurde in der Vergangenheit aus zahlreichen Blickwinkeln, meist aus der Vogelperspektive, seziert, begutachtet und kategorisiert. Dabei halfen uns die Erläuterungen zu Inhalten (technologisch-digitaler Impetus, Mystizismus und weibliche Intelligenz, leibnizsche Herunterbrechungen der Natur auf eine mathematische Logik, neurowissenschaftliches Maschinenwissen) und Methoden (eisensteinsche-filmische und mittelalterliche Auflösung von Linearitäten, Überforderungsstrategien, Narrative des literarischen Cut-ups und Fold-ins eines Burroughs und Gysin), ein umfassenderes Verständnis dieses außergewöhnlichen Werks zu erhalten. Es nutzt alle Medien der Kunst und weiß aus dem Vollen der historischen und aktuellen Wissenswelt zu schöpfen. Überforderung und Komplexität sind nicht nur im Wesen dieses Werks veranlagt, sondern gehören auch zu unserer heutigen Lebenswelt. Nicht umsonst wurde AMVKs bisheriges Oeuvre stets als frühe Voraussicht auf die nachfolgenden Zustände der Welt anerkannt.
Ornament, (Orakel), 2016, Digital prints on two layers of acrylic glass,
mounted on painted wooden box, 223,5 x 157,5 x 5,5 cm,
Courtesy Galerie Barbara Thumm and Zeno X Gallery
Es gibt nur wenige Menschen, die die wahrnehmungsneurologische Begabung besitzen, die Welt seismografisch und multiperspektivisch zu sehen. In der Rezeption zum Werk der belgischen Ausnahmekünstlerin wurde dieser Aspekt bisher nicht beachtet, obwohl er zentral für das angelegte (Un-)Verständnis ihres Oeuvres ist. Es bedeutet, die Welt weder in Hierarchien einteilen zu können, noch die Distanz zum Detail zu finden. Und nicht nur dies: Die flächendeckende und ineinanderfließende Aufnahme von Reizen und pulsierender Körperhaftigkeiten (vgl. „Art is an out of the Body Experience“, 2013) potenziert sich durch die ungehemmte Lust nach dem Neuen und der Suche nach jeglicher Form von Erklärungsmustern. AMVKs Oeuvre ist aus meiner Beobachtung heraus seit Jahren unter der Prämisse entstanden, weder kategorisierbar noch konsumierbar zu sein, noch eine Distanz zu Werk und Künstlerin zuzulassen. Dies mag erklären, weshalb viele ihrer Werke einen autobiografischen Kontext aufweisen. Als Prothese ihres Selbst wurden sie bezeichnet. Sie sind Ausdruck eines Prozesses, der Lebenswelt habhaft zu werden, indem AMVK sie in Kunst transformiert. Dies ist richtig.
Deswegen und trotzdem der unabdingbare Aufruf, ihre Werke im Detail zu sehen. Dem allgemeinen Betrachter wird es nicht gelingen, die seismografische Reizaufnahme der Welt einer Anne-Mie van Kerckhoven nachzuspüren. Es ist aber möglich, der visuellen und sprachlichen Dichte der Arbeiten, die einen Schwindel auszulösen vermögen, entschlossen entgegenzutreten und sie in die eigene körperliche Nähe zu ziehen.
Vernissage: Freitag, 26. April 2019, 18.00 – 21.00 Uhr.
Ausstellungsdaten: Samstag, 26. April 2019 – Samstag, 1. Juni 2019
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Bildunterschrift: Ornament, (Orakel), 2016, Digital prints on two layers of acrylic glass, mounted on painted wooden box, 223,5 x 157,5 x 5,5 cm, Courtesy Galerie Barbara Thumm and Zeno X Gallery
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