bis 07.04. | #3815ARTatBerlin | BARK BERLIN GALLERY zeigt ab 18. März 2023 (Vernissage: 17.03.) die Einzelausstellung „Sonic Tweedledum“ mit Arbeiten der Künstlerin Inna Levinson.
In der Ausstellung „Sonic Tweedeldum“ von Inna Levinson werden 9 Gemälde präsentiert, auf denen lustig dreinschauende Köpfe mit drei Augen, mehreren Mündern, zwei Nasen usw. zu sehen sind. Mal wirken sie wie doppelt gespiegelte Köpfe, mal janusköpfig, mal wie Diprosopus-Fehlbildungen, mal wie erheiterte Heilige, mal wie kaleidoskopisch zusammengewürfelte, fröhliche Bausätze, bei denen versäumt wurde ihre Bestandteile abzuzählen.
Die zusätzliche Wandmalerei verleiht jedem dieser Porträts einen farbig strahlenden Körper auf dunklem Grund. Dieser wirkt wie vom Wind bewegt, flatternd an die Rechtecke der Leinwände festgebunden oder wie sanft abgelegt.
Die Doppel- oder Mehrgesichtigkeit der Figuren wirkt nicht wie zwei ungleiche zusammengepresste Wesen, als vielmehr wie ein sich vervielfältigendes und ergänzendes Wesen, so wie die identischen Brüder Tweedledee und Tweedledum von Lewis Carroll in dem Buch „Through the Looking-Glass and what Alice Found There“ (1871), die sich nicht widersprechen können, auch wenn sie das Gegenteil behaupten. Die beiden lügen an versetzten Tagen und sprechen die Wahrheit an den anderen Tagen. Wem man trauen sollte und wem nicht, hängt nicht nur vom Tag und der Logik ab, sondern auch von der Bereitschaft des Gegenübers, was er hören möchte. Schlüpft man nun in die beiden Brüder, vereint man sie in der eigenen Vorstellung zu einer Figur und beobachtet man dann den fiktiven Betrachter, so merkt man, dass das Bild des Betrachters durch Wunschvorstellungen seines Gegenübers geprägt ist.
Diese Wahrnehmung wird durch recht lustige kognitive Effekte noch verstärkt. Der bekannte Halo-Effekt zum Beispiel beschreibt, wie sich zwischenmenschliche Urteile durch eine positive Assoziation verschieben. Denn beim Halo-Effekt schließt man aufgrund bekannter, positiver Eigenschaften einer Person darauf, dass auch weitere (noch unbekannte) Eigenschaften positiv sein müssen. Hat man sich also einmal unbewusst für eine unlogische, aber sympathische Sicht auf eine Person entschieden, so automatisiert die Psyche diesen Eindruck noch auf andere Eigenschaften, die wir nicht kennen können. Selbst wenn wir uns für die Version des Tweedledees an einem Tag, an dem er lügt, entschieden haben.
Dieser Halo-Effekt könnte eine Erklärung bieten, warum Menschen fast manisch eine positive Darstellung in social media von sich selbst erzeugen. Die andere Seite, die im Widerspruch zu dem positiven Bild steht, also Tweedledum, verbleibt in der Realität und für den Betrachter des Accounts nicht sichtbar. Viele positive Postings erzeugen also demzufolge eine positive Grundeinstellung zu der Person und ihren anderen eigentlich unbekannten Eigenschaften.
Wir kommen nicht umhin Alice zu beneiden. So wie sie sich diese widersprüchliche Welt ansieht und verwundert ist, wirkt sie wie ein sehr weises Kind, wie eines, das die Vielfalt des Dargebotenen logisch entschlüsseln kann und sich über dessen Vertracktheit wundert. Ziehen wir einen anderen jungen Menschen heran, dessen Geschichte von Unbeholfenheit und Tragik erzählt, dann wird uns vielleicht deutlicher, mit welchen Werkzeugen wir ausgerüstet sind, um die Welt der Widersprüche zu enträtseln.
Die Künstlerin steigt mit ihren Bildern mit einem Bein hinter den Spiegel und nimmt die Doppelwelt des Tweedledees und des Tweedledums wahr. Verwirrend, aber lustig.
Vernissage: Freitag, 17. März 2023, 17:00 bis 21:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Samstag, 18. März bis Freitag, 7. April 2023
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Bildunterschrift Titel: Inna Levinson, Double-Faced (6), 2022, Oil on Canvas, 90 x 75 cm
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