bis 27.01. | #3736ARTatBerlin | DIEHL präsentiert derzeit die Ausstellung Heartbreak mit Arbeiten des Künstlers Sergey Bratkov.
Sergey Bratkov, 1960 in der überwiegend russischsprachigen Stadt Charkiw in der Ukraine geboren, gehört seit langem zu den herausragenden Künstlern seines Landes. Nach frühen Ausstellungen in Untergrundgalerien in Charkiw, Kiew und Moskau zeigte Bratkov den immer wieder überraschenden Facettenreichtum seines Werks auch in wichtigen Kunstinstitutionen Westeuropas, wie dem Fotomuseum Winterthur, den Deichtorhallen in Hamburg, dem S.M.A.K. in Gent oder dem Baltic Centre for Contemporary Art in Gateshead. Im Jahr 2007 vertrat er die Ukraine auf der Biennale di Venezia.
Künstlerisch entwickelte sich Bratkov im Gefolge der Charkiwer Fotoschule, die seit den 1970er Jahren in seiner Heimatstadt aktiv war und auch international als avantgardistische Bastion einer gegen die Kunstdoktrin des sowjetischen Staates gerichteten künstlerischen Bewegung große Aufmerksamkeit erregte. Ein radikal unverstellter Blick auf die Wirklichkeit wurde zum Kennzeichen des Widerstandsgeistes dieser Künstlergruppe, die in immer neuen Formationen auftrat, Tabus brach und die Konventionen der sowjetischen und postsowjetischen Gesellschaften attackierte. 1987 wurde Bratkov Mitglied der Gosprom-Gruppe, einer der vielen temporären Künstlergruppen, die sich im Rahmen der Charkiwer Schule für Fotografie zusammenfanden. Internationale Aufmerksamkeit erregte Sergey Bratkov zunächst in der Gruppe Immediate Reaction, die er von 1994 bis 1997 zusammen mit Boris Mikhailov, Vita Mikhailov und Sergey Solonsky bildete. In einer Reihe von Performances und Fotoserien trieb die Gruppe den Tabubruch ihrer Bildsprache gegen die nicht enden wollende postsowjetische Realität auf die Spitze. Vor allem die physische Radikalität der Aktionen der Gruppe spiegelt Ansätze des Wiener Aktionismus wider.
Sergey Bratkov, Fuck a Star, 1989, C-print, 57 x 37 cm © Stefan Heyne
Sergey Bratkov entfaltet seine künstlerische Arbeit in den Medien Fotografie, Video und Rauminstallation. Mit den Mitteln der Montage, der Collage und der bizarren Inszenierung inszeniert er vermeintlich surreale Bildwelten, die jedoch zutiefst von der Existenz in den heute so unterschiedlichen postsowjetischen Gesellschaften der Ukraine und Russlands erzählen.
HEARTBREAK ist der Titel, den Sergey Bratkov seiner zweiten Ausstellung in der Galerie Volker Diehl in Berlin in diesen grausamen Zeiten gegeben hat. Der Titel leitet sich von einer eher unscheinbaren kleinformatigen Arbeit ab, Heart Hole, 2022, die die zertrümmerten Wunden eines zerschossenen Spiegels zeigt und zu einem der Kernstücke der Ausstellung wird.
Die Ausstellung von Sergey Bratkov ist ein sehr persönlicher Kommentar zu seiner eigenen und der allgemeinen Situation im Kriegszustand. Mit Werken aus den letzten 30 Jahren inszeniert der Künstler seine Sicht auf die aktuelle Gegenwart. So entstehen Bilder der Kritik am postsowjetischen System, Bilder der Erinnerung an die Heimat in Charkiw und Bilder, die metaphorisch die unfassbare Grausamkeit des aktuellen Krieges einkreisen. Wir sehen eine vielschichtige künstlerische Existenz, die sich in den Rissen der Kriegsrealität immer wieder neu finden muss, als russischsprachiger Ukrainer, der seit den 2000er Jahren seinen Lebensmittelpunkt in Moskau gefunden hat und nun vorübergehend in Berlin lebt, immer um den Kern des tief verwurzelten Widerstandsgeistes kreisend, der in Bratkovs Arbeiten von Anfang an durchgebrochen ist. Mit HEARTBREAK ist Sergey Bratkov ein erhabenes Lied über die fragmentierte Existenz in Zeiten des Krieges gelungen.
Carsten Ahrens
Vernissage: Freitag, 9. Dezember 2022, 11:00 – 18:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 9. Dezember 2022 bis Freitag, 27. Januar 2023
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Bildunterschrift: Sergey Bratkov, Fuck a Star, 1989, C-print, 57 x 37 cm © Stefan Heyne
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