bis 17.08 | #4329ARTatBerlin | Haverkampf Leistenschneider zeigt ab 21. Juni 2024 die Ausstellung NEUE WELT des Künstlers Stefan Hirsig.
In einem rastlosen Wechselspiel von Bewegung, Geste und Textur hat Stefan Hirsig in seinem Werk immer wieder hinterfragt, wozu Malerei fähig ist und was Abstraktion sein kann. Seine dynamischen Kompositionen, die einen reichen Fundus an Referenzen aus der klassischen und modernen Malerei, der Popkultur und den übersättigten Medien von heute enthalten, zeugen von der hypervernetzten, ständig präsenten Kakophonie unserer Gegenwart. Doch Hirsigs Bilder widerstehen dem schnellen Konsum. Bei eingehender Betrachtung entdeckt man eine prozesshafte Logik: Zeichen, die wie Schachzüge gesetzt werden, eine Abfolge von kalkulierten Reaktionen, sowohl destruktiv als auch kreativ; manchmal in Opposition, manchmal in tanzendem Miteinander.
In der Ausstellung Neue Welt reflektiert Hirsig über den endlosen Kreislauf globaler Konflikte und Kriege, die ausbrechen, abklingen und so oft wieder eskalieren, ohne dass eine dauerhafte Lösung gefunden wird, und die unsere Welt in einem Zustand ständiger Sorge und Erregung halten. Und warum beherrschen so viele despotische, egoistische Männer das Weltgeschehen?, fragt er. Ist Männlichkeit die treibende Kraft hinter dem Kreislauf der Gewalt in der Welt? Diese Konflikte werden meist nicht im Namen der Prävention und Menschlichkeit geführt, sondern es zeigt sich dahinter doch immer die Männlichkeit in ihrer schlimmsten Form: Aggression und Überreaktion in narzisstischem Dominanzgehabe.
Allerdings geht es hier nicht um das männliche Geschlecht an sich; es soll vielmehr die Gewichtung der männlichen und weiblichen Anteile im Menschen und deren Eigenschaften verhandelt werden. Unabhängig davon, welchen Anteil diese Eigenschaften in einem In dividuum einnehmen oder ob sich ein Individuum nicht mit dem Konzept von weiblich oder männlich identifiziert, sieht Hirsig männliche Eigenschaften als die Grundlage, die es autokratischen Figuren ermöglicht zu regieren, indem sie Spaltungen vertiefen und nationalistische Ressentiments schüren. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, müssen wir diese Führungspersönlichkeiten durch Menschen ersetzen, die auf eine weiblichere Art denken und handeln. Durch die Kultivierung von Empathie, die Verflechtung von Gemeinsamkeiten und die Festlegung gemeinsamer Ziele könnten alle Gemeinschaften gestärkt werden.
Das Herzstück der Ausstellung – eine großformatige Leinwand mit dem Titel „Eskalation“ – zeigt ein Getümmel von fragmentierten Figuren, deren Komposition an die dichten und turbulenten Szenen von Historiengemälden wie Poussins Vergewaltigung der Sabinerinnen oder Delacroix’ Tod des Sardanaplus erinnert.
Das Gemälde wird von leuchtendem Rot und einem tiefen Königsblau dominiert und scheint kaum in der Lage zu sein, die sich windenden Gliedmaßen, die um sich greifenden Finger und die flüchtigen angedeuteten Gesichter zu bändigen, aus denen sich der wirre Wust zusammensetzt. Das Gemälde verzichtet auf eine Fokussierung im Motiv und zwingt das Auge, die Figuren in ihrer chaotischen Bewegung zu begleiten, so dass dieses zwischen gekritzelten Umrisslinien und körperlicher Dichte hin und her springt, ohne sich auf ein einziges Detail festzulegen.
Diesem Werk stellt Hirsig eine Reihe von Gemälden mit einem wesentlich ruhigeren, geerdeten Grundton gegenüber. Die abstrahierten weiblichen Figuren sind Hirsigs Antwort auf die Frage, wie die Welt aus ihrem Kreislauf von Umbrüchen, Vertreibung und Gewalt befreit und geheilt werden kann, indem sie eine weiblichere Sicht auf die Welt pflegt: das Schöpferische statt des Zerstörerischen als Leitprinzip der Konfliktlösung zu wählen und blinden Hass durch Mitgefühl ersetzen. Auf diese Weise bringt die Ausstellung Neue Welt Hirsigs fortwährende Auseinandersetzung mit der Vielfalt und Ambivalenz der menschlichen Natur zum Ausdruck, wobei die lebendige Pluralität seiner Kompositionen zu einer radikalen Geste der Toleranz wird.
Vernissage: Freitag, 21. Juni 2024, 18-21 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 21. Juni – Samstag, 17 August 2024
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Bildunterschrift Title: STEFAN HIRSIG ESKALATION, 2024, Öl, Acryl auf Leinwand, 260 x 280 cm
Ausstellung Stefan Hirsig – Haverkampf Leistenschneider | Contemporary Art – | Ausstellungen Berlin Galerien | ART at Berlin