EIGEN + ART Lab präsentiert seit dem 30. September 2016 die Ausstellung „INSIDE OUT“ des Künstlers Tom Anholt.
Der Schutzherr der Erkenntnissuche
Zwölf Ausblicke auf zwölf Horizontlinien. Zwölf Gemälde mit abgeflachter Perspektive sollen den Blick fesseln. Diese Flachheit birgt die schönste Szenerie. Zwischen aufragendem Fels und schräg einfallendem Regen bemerkt man die Emire und Eminenzen der Ulama, die die Dammstraßen bevölkern. Häufig in mittlerer Entfernung, mit dem Rücken zum Betrachter, ein Mann mit der Statur von Magaccios Adam. Gern im Sternenmantel, manchmal auch mit Bart; breitbeinig und phallisch steht er da – der Schutzherr der Erkenntnissuche.
Ungebleichtes Leinen ist mit einer ockerfarbenen Lavur überzogen, alla prima. Die honiggelbe Einfärbung will nicht korrigieren, sondern bekräftigen. Man betrachte beispielsweise Gelb unter dem Einfluss von Braun, oder Blau in seiner unvergleichlichen Beziehung zu Weiß. Ohne Kleinmut interpretiert Anholt diese Prinzipien entweder instinktiv oder in Loyalität gegenüber der Erinnerung.
Die einfließenden violetten und dunkelblauen Schattierungen sind kaum sichtbar, kultivieren jedoch sanft die Leinwand. Sorgfältig ausgeführte horizontale Striche schaffen im Zweidimensionalen eine dritte Dimension. Ob durch die wiederholte Verwendung von Sevresblau, durch einfarbige Flächen und Farbverläufe oder durch weiße Tupfer zur Andeutung von bewegtem Wasser: Der Künstler erzeugt Tiefe durch eine Farbkonstanz, die den Raum strukturiert. Gewissermaßen beispielhaft für diese Empfindungen ist The Flood. Statt den Pinsel einfach in ein einzelnes Pigment zu tauchen und eine halbherzige Assoziation zu erzeugen, mischte Anholt Farbtöne, die unter der Oberfläche brodeln und mit dem darüberströmenden Stratum interagieren.
Mit dem Reich des Visuellen assoziierte Farben registrieren wir innerhalb unserer zirkadianen Grenzen. Was wir sofort wahrnehmen, sind Dinge, die der ständigen Veränderung unterworfen sind. Anholt hat entschieden, einen gewissen Grad der Definiertheit aufzugeben, sich weniger auf die Konturen zu verlassen und stattdessen mehr Wert auf die Entschiedenheit des Ausdrucks zu legen. Er fordert unsere Sinne, um die Vorrangigkeit des Selbsterlebten zu unterstreichen.
Diese Einsichten gehen der Serie voraus. Sie entwickelte sich aus früheren, in gedeckten Farbtönen skizzierten Konsistenzstudien. Diese waren zwar gekonnt ausgeführt, es fehlte ihnen jedoch an Plastizität. Die Farbskala betrachtet die Textur als ebenbürtig; dies gilt ebenso für die Viskosität der aus der Tube auf die Leinwand aufgebrachten Pigmente. Während die Farbe noch feucht war, klebte Anholt Fetzen aus zerrissener Leinwand auf die Fasern und erzeugte so eine plastische Wirkung. A Reckless Night sollte als rilievo schiacciato eingestuft werden.
Vielleicht ist mehr als nur ein Bild von mediterranen Einflüssen durchdrungen. Auf Magna Graecia dominiert das Licht. Glanzlose Flächen vom Hafen von Catania bis nach Selinunt, wo die merkwürdigen alten Religionen immer noch präsent sind. Anholts metaphysische Interpretation und die Prämisse unseres Schutzherrn sind gleichartig. Ein wissbegieriger Mensch ist in der Welt nicht nur Zuschauer – als einsichtsvoller Geist und als Schöpfer kann er nicht umhin, ein Teil von ihr zu werden.
Text von James Waite
Vernissage: Freitag, 30. September 2016, 18:00 – 21:00 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 30. September 2016 – Sonntag, 23. Oktober 2016
WO? Pankow Park, Halle 25, Lessingstraße 79, 13158 Berlin-Pankow, Öffnungszeiten: Do, Fr, Sa, So 15:00 -19:00 Uhr
Bildunterschrift: via EIGEN + ART Lab
Ausstellung Tom Anholt – INSIDE OUT – EIGEN + ART Lab – Kunst in Berlin ART at Berlin