bis 05.11.18/02.06.19. | Kunsthaus Dahlem zeigt seit 29. Juni 2018 die Ausstellung »WAS WAR EUROPA?« mit Künstlern wie Ernst Barlach und Wilhelm Lehmbruck und die Ausstellung »KAROL BRONIATOWSKI – IM MOMENT«, kuratiert von Anne Schwanz (Office Impart).
WAS WAR EUROPA? (29.06.2018-02.06.2019)
1950 eröffnete im Münchner Haus der Kunst die Ausstellung Werke Europäischer Plastik. Es war dies der erste Versuch deutscher Bildhauer nach 1945, sich in einen direkten Vergleich zur westeuropäischen Moderne zu stellen. Selbstbewusst konstatierten die Organisatoren – die vier Münchner Bildhauer und Akademieprofessoren Toni Stadler, Georg Brenninger, Josef Wackerle und Theodor Georgii – in der Einleitung zum Ausstellungskatalog: »Mögen die ausgewählten Skulpturen aus den verschiedensten Regionen plastischer Vorstellung sich nicht feindlich gegenüberstehen, sondern durch ihre Qualität eine innere Verwandtschaft aufzeigen.« Gezeigt wurden in dieser ersten europäischen Schau über 70 Werke von 35 deutschen sowie elf französischen, englischen, italienischen und schweizerischen Bildhauern, darunter so prominente Vertreter ihres Faches wie Henry Moore und Aristide Maillol. Entschlossen setzte man damit deutsche Bildhauerei Seite an Seite mit den renommiertesten Vertretern westeuropäischer Moderne.
© Kunsthaus Dahlem. Abbildungen: Herbert List: Porträt Toni Stadler / Magnum Photos / Agentur Focus;
Wilhelm Lehmbruck: Hagener Torso (1910-1911), courtesy Galerie Schwarzer, Düsseldorf.
Im Rahmen der Ausstellung Was war Europa? werden die Werke der Münchner Schau – sofern sie zu identifizieren sind und auszuleihen waren – erneut versammelt. Die Ausstellung stellt dar, wo sich die junge Bundesrepublik aus Sicht der Münchner Bildhauer im internationalen, westeuropäischen Kontext verortete. Die Auswahl konzentriert sich dabei auf die deutschen Positionen, die gemäß der Auswahl der Organisatoren seinerzeit, allesamt einer figürlichen Bildhauerei-Tradition zuzuordnen sind. Während in Berlin zur gleichen Zeit eine abstrahierende bzw. abstrakte Moderne Anerkennung fand, wie sie sich etwa in den ebenfalls ausgestellten Werken von Bernhard Heiliger manifestierte, bevorzugte man in Süddeutschland eine figürliche Tradition, die in einer intensiven Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper aber auch in Tierplastiken ihren Ausdruck fand.
Setzte man 1950 dezidiert auf eine unpolitische Geste durch die Zusammenführung nationaler und internationaler Plastiken, so liest sich heute die damit verbundene Ausblendung der unmittelbaren Vergangenheit ebenso wie die Beteiligung einzelner Künstler, die auch am Kunstbetrieb im NS-Regime mitgewirkt hatten, als höchst problematisch. Im Kunsthaus Dahlem wird in einem dem Haus der Kunst ähnlichen architektonischen Rahmen die Präsentation nunmehr auch auf ihr politisches Ansinnen hin betrachtet.
Anhand von rund 40 Skulpturen zeigt die Ausstellung Was war Europa? nicht nur die Vielfalt bildhauerischen Schaffens in einer figurativen Formensprache nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, sie lässt auch die Kunst- und Künstlergeschichte des ersten Nachkriegsjahrzehnts und die Bemühungen um eine Wiederanbindung an eine internationale, westeuropäische Moderne Revue passieren. Berühmte aber auch weniger bekannte Bildhauerinnen und Bildhauer, darunter Ernst Barlach, Hermann Blumenthal, Wilhelm Lehmbruck, Priska von Martin, Toni Stadler et al. sind mit Werken aus öffentlichen Sammlungen und aus Privatbesitz vertreten. Zahlreiche Arbeiten werden erstmals seit 1950 wieder der Öffentlichkeit präsentiert.
Courtesy Galerie Schwarzer, Düsseldorf
Liste der Künstler/innen:
Ernst Barlach, Bernhard Bleeker, Hermann Blumenthal, Georg Brenninger, Alexander Fischer, Hermann Hahn, Philipp Harth, Bernhard Heiliger, Anton Hiller, Ludwig Kasper, Heinrich Kirchner, Richard Knecht, Moissey Kogan, Wilhelm Lehmbruck, Gerhard Marcks, Ewald Mataré, Priska von Martin, Hans Mettl, Georg Müller, Edwin Scharf, Toni Stadler, Josef Wackerle, Hans Wimmer, Fritz Wrampe
Leihgeber: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Pinakothek der Moderne, Clemens Sels Museum Neuss, Museum Kurhaus Kleve, Stadtmuseum Tübingen, Museumslandschaft Hessen Kassel, Landesmuseum Mainz, Gerhard Marcks Haus Bremen, Städtische Museen Freiburg, Sammlung Karl H. Knauf, Galerie Schwarzer/ Düsseldorf, Nachlass Georg Brenninger, Axel Springer SE, Nachlass Heinrich Kirchner, et al.
Förderer: ECHY 2018, Senatsverwaltung für Kultur und Europa
KAROL BRONIATOWSKI – IM MOMENT (29.06.-05.11.2018)
Kuratorin: Anne Schwanz/ OFFICE IMPART
Über die Ausstellung
Das künstlerische Schaffen des Bildhauers Karol Broniatowski (*1945, Łódź) kreist um die figürliche Plastik. Ausgehend vom künstlerischen Material liegt sein Interesse auf dem Prozessualen, der Haptik und dem Erleben von Skulptur. Aussagen lässt er bewusst offen – nichts ist für ihn abgeschlossen.
Die Ausstellung »Im Moment« zeigt aktuelle Bronzeskulpturen und großformatige Gouachen. Werkgruppen zu klassischen Bildhauerthemen wie »Kontrapost« und »Wappenträgerin« beginnen mit einem spontanen Moment, werden weiter bearbeitet und in verschiedene Situationen geführt. Im bildhauerischen Wegnehmen, Beschneiden und Abtrennen manifestiert sich Broniatowskis prozessuales Denken. Die äußere Gestalt löst er sukzessive auf, um die innere Aussage zu schärfen, die immer klarer erfahrbar wird, je weiter sich die Figur von ihrer Ausgangsform entfernt. Der imaginäre Übergang von Innen nach Außen ist es, was Broniatowski in seiner künstlerischen Arbeit interessiert.
Auch die Gouachen kann man in diesem Sinne als bildhauerische Arbeiten lesen. Als Monotypien ausgeführt, versteht Broniatowski sie als hinterlassene Momente von Skulpturen, als Bildhauerei auf Papier. Plastiken aus Ton verwendet Broniatowski als Werkzeuge, die im Abdruckverfahren schnell und präzise auf Papier gebracht werden. Auch hier ist der Prozess das Entscheidende für den Künstler.
Karol Broniatowski – Kontrapost V, 2015, Bronze, Foto Gunter Lepkowski
Über den Künstler
Karol Broniatowski studierte 1964-1970 Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in Warschau. Mit seiner Abschlussarbeit »Zeitungspapierfiguren«, einer Gruppe lebensgroßer schreitender Figuren aus Pappmaché, erregte er erste Aufmerksamkeit und wurde 1972 als Vertreter Polens zur 26. Biennale in Venedig eingeladen. Nationale und internationale Ausstellungen und Auslandsaufenthalte machten ihn zu einem der wichtigsten polnischen Bildhauer seiner Zeit. Als Stipendiat des DAAD bezog Broniatowski 1976 ein Atelier in den heutigen Räumen des Kunsthaus Dahlem. Dort nahm er den Zyklus »Big Man« auf, den er im gleichen Jahr im Neuen Berliner Kunstverein zeigte. Es folgten konzeptuelle, handlungsbasierte Arbeiten, wie 1978 die Weiterführung der »Big Man«-Serie und die Vorführung der Zahlen 1 bis 93 als Morsealphabet, entsprechend der Anzahl der Einzelfiguren innerhalb der Skulpturengruppe. Ferner beschäftigte Broniatowski sich mit der Idee einer auf- und abbaubaren Skulptur, die den bildhauerischen Prozess verdeutlichen sollte. Sie markierte 1981 den Beginn seiner Arbeit in Bronze, der als Hauptwerke die »Gruppe 93« oder die großen »Schreitenden« angehören. Auch im öffentlichen Raum realisierte Broniatowski skulpturale Arbeiten, unter anderem 1991 das »Mahnmal für deportierte Juden Berlins« am S-Bahnhof Grunewald und 1996 »Fuß von Bendern« für die LGT Bank in Liechtenstein.
Vernissage als Doppel-Eröffnung: Donnerstag, 28. Juni 2018, 19:00 Uhr,
Sprecher: Bernhard Schnittger, stellvertretender Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Gerry Woop, Staatssekretär für Europa, Senatsverwaltung für Kultur und Europa
Ausstellungsdaten »WAS WAR EUROPA?«: Freitag, 29. Juni 2018 – Sonntag, 2. Juni 2019
Ausstellungsdaten »KAROL BRONIATOWSKI – IM MOMENT«: Freitag, 29. Juni – Montag, 5. November 2018
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Ausstellung Was war Europa? + Karol Broniatkowski – Kunsthaus Dahlem – Kunst in Berlin | ART at Berlin