bis 29.01. | #3259ARTatBerlin | FeldbuschWiesnerRudolph (FWR) zeigt derzeit Skulpturen und Zeichnungen des Künstlers Wim Botha, Malerei der Künstlerin GL Brierley und eine große Videoarbeit sowie Fotografien des Künstlers Augustin Rebetez.
„ (…) Und was wir wissen, ist, dass die Dinge aus dem Gleichgewicht geraten sind und dass wir vermutlich viel zu spät dran sind, um sie wieder ins Gleichgewicht zu bringen.“
Judith Hermann, 2021
Tatsächlich wird es nach der Pandemie eine Weile dauern, bis aus allerlei Fremdgewordenem ein neues Zuhause wird. Erzählungen wie die von Judith Hermanns Roman „Daheim“ beschreiben die mutige Ankunft von einem neuen Ort, der Geborgenheit bietet. Worin die Erinnerungen keine Objektivität haben, aber das Jetzt auf der Hand liegt. Tatsächlich sind es oft Dichtung und Kunst, die diese neuen Welten vor unseren Augen entstehen lassen…
Wim Botha, Prism 36, Me and You, You, Bronze, 2021
Die Herbstausstellung präsentiert drei internationale Künstler der Galerie, deren zentrale Frage die nach der Existenz des Menschen ist. Sie transportiert sich in der offensichtlichen Prozesshaftigkeit ihrer Werke von Malerei, Zeichnung, Skulptur Fotografie und Film.
„(…) For many people this moment was an opportunity to rethink what it means to be human, what it means to be in this time and this place.“
Wim Botha
Wim Botha (geb. 1974 in Pretoria/ SA; lebt und arbeitet in Kapstadt) ist seit seiner Präsentation auf der Venedig Biennale (20213) weitreichend bekannt für seine Bücherbüsten. In Berlin zeigt der Künstler auch Büsten in Bronze mit warmer brauner Patina sowie skulpturale Arbeiten gedrechselt aus Walnussholz. Ihre erodierte Form scheint auf ihre Gestaltwerdung jenseits der linearen Zeit anzuspielen. Tatsächlich handelt es sich nicht etwa um Individualporträts als vielmehr um Silhouetten, die beim Umschreiten derselben einen dynamischen Gestaltwechsel vollziehen.
Wim Botha, Installationsansicht FeldbuschWiesnerRudolph, 2021
Bothas Titel „Proposal for transient radical form“ spiegelt sich auch in seinen Zeichnungen mit schwarzer Tusche auf Papier wieder, deren unterbrochene Linienkonstellationen ähnlich losgelöst wirken wie Bothas Ölmalereien mit ihren vereinzelt punktuellen Setzungen auf roher Leinwand. So generieren sich alle Werke des Künstlers aus einer vorübergehenden Natur, um für einen Moment eine physische Form anzunehmen und gleichzeitig die Idee einer ewigen, formlosen Präsenz zu repräsentieren.
„Though this carnivalesque revelry feels like a dark courting of danger, a Dance Macabre there is something deeply atavistic in the human celebration of life in the face of death.“
GL Brierley
Die in London lebende Malerin GL Brierley (geb. 1964 in Glossop, Derbyshire (UK); lebt und arbeitet in London) erlebte mit dem Festival Lockdown in ihrem Heimatort Hackney den orgiastischen Exzess von Freisetzung mit dionysischen Zügen. Der Fluss Lee und die Grünanlagen finden für die Künstlerin Parallelen im mythologischen Fluss Styx als der Schwelle zur Unterwelt.
GL Brierley, Untitled, Katabasis, 2021, Öl auf Paneel, 80 x 90 cm
Leben und Hoffnung liegen in der Dunkelheit oft eng beieinander und so experimentiert GL Brierley für ihre Malereien mit dem Ausgießen von Farbe auf dem Bildträger Holz und Aluminium. In alchimistischer Manier entstehen aus dem wechselhaften Spiel der partiellen Gerinnung von Farbe, liquiden Vermischungen und dramatischen Lichteinfällen die Illusion eines inneren Raums, in dem sich stillebenhafte Objekte und chimärenartige Wesen begegnen. In diesen Settings oszilliert die Atmosphäre des Bildes zwischen Abstraktion und Figuration, Verführung und Horror, Humor und Groteske.
„«We are ghosts trying to become visible. We like rituals. We believe in shadows and whispers. We work for the night.»
Augustin Rebetez
Der Jurassier Augustin Rebetez (geb. 1986 in Delemont/ CH; lebt und arbeitet in Mervelier) ist Künstler und Regisseur und eroberte mit seinen Stop-Motion-Filmen die Kunstszene. Er verzaubert unsere allzu durchkalkulierte Welt mit seinen kraftvollen, bisweilen provokanten, aber stets künstlerisch poetischen Labyrinthen, die bevölkert sind von Figuren halb Mensch, halb Tier, halb Organismus, halb Objekt.
Augustin Rebetez, Throw Your Shadows, 2019, HD video channel, 13 min, Ed 3
In der Galerie wird in einer aufwendigen Dreikanal-Videoprojektion der Film „Throw Your Shadows“ gezeigt, für den der Künstler 2019 den Swiss Art Award erhielt. Es ist ein immersives Experiment, für das Rebetez aus Traumbildern, Urreligionen und einer Esoterik schöpft, die sowohl aus dem Jura als auch aus Afrika oder Ozeanien stammen könnten. Die Einzelbilder des Films basieren auf Malerei, Plastik, Beleuchtung und Fotografie, während der ruckelige Bildrhythmus und die Tonspur aus bruitistischer Musik und konkreten Klängen seinen Betrachter nach und nach in den Bann ziehen.
Augustin Rebetez, Untitled, Print Hahnemühle, 60 x 40 cm, Ed 6
Aktuell ist Augustin Rebetez auf Tour, um sein Buch „Coeur entre les dents – Manifeste primitif“ zu präsentieren, für das er 2020 den Alfred Latour Preis erhielt verliehen durch eine hochkarätig besetzte Jury. FeldbuschWiesnerRudolph zeigt einzelne Fotografien aus dem Buch.
Ausstellungsdaten: Samstag, 13. November bis Samstag, 18. Dezember 2021 – ACHTUNG: verlängert bis Samstag, 29. Januar 2022
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Bildunterschrift Titelbild: Wim Botha (Skulptur) + GL Brierley (Malerei), Installationsansicht FeldbuschWiesnerRudolph, 2021
Ausstellung Wim Botha, GL Brierley + Augustin Rebetez – FeldbuschWiesnerRudolph | Contemporary Art – Kunst in Berlin – ART at Berlin