bis 05.03. | #4565ARTatBerlin | Galerie Esther Schipper zeigt ab 01. Februar 2025 die Ausstellung ROAD RUNNER der Künstlerin Cemile Sahin.
ROAD RUNNER verwandelt den Ausstellungsraum in eine lebendige Umgebung, die die farbenfrohe, atemberaubende Bildsprache der Popkultur und der Videospiele nutzt, um aktuelle politische Themen anzusprechen, darunter den Einsatz von Drohnen durch Unternehmen, autoritäre Regime und das Militär. Zu sehen sind ein Film, sechzehn einzigartige Aluminiumplatten und sechs speziell angefertigte Boxsäcke. Die neuen Werke reflektieren eine Welt voller lauter konkurrierender Reize und werden in einem auffälligen Ausstellungsdesign mit mehrfarbigen Textpassagen und einem gelben Teppich präsentiert.
Sahins Werk handelt von Familie und Verlust sowie von den Technologien, die digitale Entkörperung und politische Unterdrückung ermöglichen. Sie kommentiert diese bestimmenden Technologien wie Drohnen und künstliche Intelligenz nicht nur, sondern nutzt sie auch als Werkzeuge in ihrem innovativen künstlerischen Prozess.
Der Film, der auch den Titel ROAD RUNNER trägt, bedient sich eines rasanten Genremixes: Filmische Erzählungen wechseln sich ab mit Drohnenaufnahmen, gefälschten Werbespots, Animationen und Videospielen. ROAD RUNNER stellt sich eine dystopische Zukunft vor, in der Killerdrohnen die Kontrolle übernommen und eine brutale Ordnung geschaffen haben. Er erzählt die Geschichte von Bêrîtan, die in einer parallelen virtuellen Realität darum kämpft, ihre Schwester aus der digitalen Gefangenschaft zu befreien. Inspiriert von der Allgegenwärtigkeit von Spielen wie GTA (Grand Theft Auto) oder Counter Strike, ist ROAD RUNNER ein Mash-up von Erzählstrategien aus Film, Fernsehen, Videospielen und Social Media-Plattformen. Seine hybride Ästhetik greift auf die schnelle, direkte Kommunikation von TikTok-Videos ebenso zurück wie auf das harte, militaristische „Do-or-die“-Geschichtenerzählen der Spielekultur.
Die Erzählung des Films fiktionalisiert ein wichtiges Thema in Sahins Werk: Drohnen als konkrete Instrumente der Überwachung und militärischen Intervention. Damit setzt sie die Untersuchung der Verbindung zwischen Videospielen, militärischer Ausbildung, autoritären Regimen und Waffenhandel fort und betrachtet Drohnen als ein größeres Symbol für die Verstrickung von Unterhaltung, Unternehmen und autoritären Mächten. So sind Drohnen und die Auswirkungen von Waffen wichtige wiederkehrende Themen, die beispielsweise in ihren Arbeiten Gewehr im Schrank (Nassauischer Kunstverein Wiesbaden, 2023) und Drone Valley (Biennale in Lyon, 2022) behandelt werden.
Eine Gruppe von sechzehn großformatigen, an der Wand montierten Aluminiumtafeln zeigt leuchtende, auffällige Motive, die mit Hilfe von KI erstellt wurden. Jede Tafel ist ein Unikat. Die Werke wurden von Sahin mit einem maschinellen Lernprogramm für Bilder erstellt: Sahin trainierte es zunächst mit ihren eigenen Arbeiten und nutzte dann verbale Aufforderungen, um bestimmte Bilder zu generieren und diese dann zu verfeinern, wobei sie die KI als Werkzeug für die Umsetzung ihrer Vorstellungen einsetzte. Die auf perlweißes Fotopapier gedruckten und auf Aluminium aufgezogenen Tafeln kombinieren die Bilder mit kurzen Texten, die einen absichtlich zweideutigen Subtext einführen: Die Sätze können als ironisch, tiefgründig oder manchmal auch einfach als memeartig und unsinnig gelesen werden.
Die Bilder sind übertrieben niedlich, die Art von Ästhetik, die von Algorithmen (und Verhaltensforschern) als am erfolgreichsten angesehen wird: Luftballonbuchstaben, hübsche Blumen, niedliche (oder furchterregende) Hunde, schicke Autos, elegante Frauen, glänzende Fingernägel, aber auch Waffen und Messer. Mit ihren leuchtenden Farben und frechen Themen bringen die Tafeln ernste Themen in eine spielerische Form: Was sollen wir zum Beispiel von glänzenden Kugeln halten, die auf einem lippenstiftroten Hintergrund schweben, oder von einem goldenen Messer, das von einer Hand mit langen rosa Nägeln gehalten wird? Hinter dem visuellen Vergnügen verbirgt sich ein gewisses Grauen, nicht zuletzt vor der nahezu unwiderstehlichen Verführungskraft. Doch in Sahins Werken gibt es keinen Zynismus und keine Wertung: So ist es eben, scheint der Künstler zu sagen, Spaß und Tragödie koexistieren.
Einige hängende Boxsäcke sind mit Motiven aus dem Film ROAD RUNNER bedruckt. Im Film trainiert Bêrîtan mit einer Boxergemeinschaft, die ihr hilft, die Kraft zu gewinnen, um ihre Schwester zu retten. Die Boxsäcke fungieren als Erweiterung der Filmerzählung in den Ausstellungsraum, wobei das Virtuelle in das Reale übergreift.
Cemile Sahins neuer Film ROAD RUNNER wird in Zusammenarbeit mit CIRCA präsentiert und durch #CIRCAECONOMY finanziert, ein zirkuläres Modell zur Unterstützung des kostenlosen öffentlichen Programms und des jährlichen CIRCA PRIZE, den Cemile Sahin 2023 erhielt. Seit dem Start im Oktober 2020 hat CIRCA mehr als 1.000.000 £ an #CIRCAECONOMY-Mitteln in Form von öffentlichen Kunstaufträgen, Bargeldzuschüssen, Stipendien und wohltätigen Spenden weiterverteilt, um das kreative Ökosystem zu unterstützen und Künstler weltweit zu fördern.
Cemile Sahin wurde 1990 in Wiesbaden, Deutschland, geboren. Sie studierte Bildende Kunst am Central Saint Martins College of Art and Design in London und an der Universität der Künste in Berlin. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Berlin. Sahins Debütroman TAXI wurde 2019 veröffentlicht, gefolgt von ihrem Buch ALLE HUNDE STERBEN im Jahr 2020 (ins Englische übersetzt 2024). Für TAXI wurde Sahin mit der Alfred Döblin-Medaille ausgezeichnet. 2024 erschien Sahins dritter Roman, KOMMANDO AJAX, im Aufbau Verlag.
Ausstellungsdaten: Samstag, 01. Februar – Mittwoch, 05. März 2025.
Bildunterschrift Titel: Cemile Sahin, The sharpest blade, 2025 | Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin/Paris/Seoul | Image © Cemile Sahin
Ausstellung Cemile Sahin– Esther Schipper | Zeitgenössische Kunst in Berlin | Contemporary Art | Ausstellungen Berlin Galerien | ART at Berlin